
Gastbeitrag: Rituale als Unterstützung bei der Abschiedsfeier
von Inga Ohlsen
Gern veröffentliche ich einen Gastbeitrag von dem jungen Bestattungsunternehmen Memovida, das ich kürzlich kennengelernt habe. Es geht um das Thema Rituale im Trauerprozess am Beispiel von einem Kerzenritual bei der Abschiedsfeier. Dies Thema finde ich passend und hilfreich, denn beim jährlichen Gedenktag für Sternenkinder “Worldwide Candle Lighting Day” spielen Kerzen eine zentrale Rolle.
Warum Rituale im Trauerprozess wichtig sind
Der Abschied von einem geliebten Menschen ist einer der tiefgreifendsten und emotionalsten Momente im Leben. In solchen Zeiten sind Rituale nicht nur Trostspender, sondern auch Wegweiser durch den oft unübersichtlichen und komplexen Trauerprozess.
Denn Rituale können uns unterstützen, unseren Gefühlen Raum zu geben. Wir können etwas ausdrücken, für das uns die Worte fehlen, das Unfassbare greifbar machen. Gerade bei Gedenkfeiern können uns Rituale sehr helfen, eine Struktur hineinzubringen und damit etwas Halt zu geben.
Das Kerzenritual – ein Moment des gemeinsamen Erinnerns
In unserer individuellen und einfühlsamen Begleitung hat sich ganz besonders das Kerzenritual bewährt.
Kerzen stehen seit jeher symbolisch für Licht, Hoffnung und die Verbindung zwischen Diesseits und Jenseits. In der Trauerarbeit haben sie eine besondere Bedeutung: Sie spenden nicht nur physisch Licht, sondern auch auf der Gefühlsebene geben sie uns Wärme und ein Stück Geborgenheit.
Das Entzünden von Kerzen kann zu einem wichtigen Moment der Stille und des Innehaltens bei der Bestattung und Trauerfeier werden und passt zu verschiedenen Formen des Abschieds.
So läuft das Kerzenritual ab:
Im Verlauf der Abschiedsfeier erhält jeder Mensch eine kleine, bereits entzündete Kerze. Dieser Moment geschieht bewusst in Stille oder begleitet von leiser Musik – je nach Wunsch der Angehörigen und dem Charakter des Verstorbenen.
Anschließend sind die Gäste eingeladen, mit ihrer Kerze nach vorn zu treten und sie dort auf vorbereiteten Ständern zu platzieren. Das geschieht in Stille und ist gleichzeitig sehr persönlich. Manche Gäste verharren kurz, schließen die Augen oder denken einen letzten Gruß. Andere streichen beim Abstellen der Kerze sanft über das Glas – eine stille Geste der Zuneigung. So entsteht eine Atmosphäre der Verbundenheit, des gemeinsamen Erinnerns und des liebevollen Abschieds.
Die Kerzen sammeln sich dort wie ein Lichtermeer: Jede einzelne Kerze steht für ein geteiltes Leben, eine Verbindung, eine Erinnerung. Sie ist mehr als nur Licht: Sie ist Ausdruck von Liebe, Trauer, Dankbarkeit – und vielleicht auch Hoffnung. Sie zeigt, dass das, was war, weiterhin leuchtet.
Das Kerzenritual schafft einen geschützten Raum, in dem Emotionen ihren Platz haben dürfen. Es ermöglicht es den Trauernden, aktiv Teil der Zeremonie zu sein – nicht nur als stille Zuschauer, sondern als Gestalter eines würdevollen Abschieds.
Viele Angehörige berichten im Nachhinein, wie kraftvoll dieser Moment für sie war. Das Halten der Kerze, das langsame Schreiten zum Ort des Gedenkens, das Platzieren im Lichterkreis – all das geschieht in einem Tempo, das Achtsamkeit fördert und emotionale Tiefe zulässt. Es ist eine Einladung, nicht nur Abschied zu nehmen, sondern auch Dankbarkeit und Liebe sichtbar zu machen.
Persönliche Begleitung über das Ritual hinaus
Für uns ist es in der Begleitung wichtig, nicht nur die Trauerfeier individuell zu gestalten, sondern auch die menschliche Nähe und das aufrichtige Gespräch. Vor, während und nach der Zeremonie stehen wir den Trauernden zur Seite. Wir nehmen uns Zeit – für die Wünsche der Angehörigen, für ihre Erinnerungen, ihre Geschichten, ihre Fragen und Sorgen.
Uns ist bewusst, dass Trauer keine klaren Regeln kennt. Jeder Mensch trauert anders, und genau das respektieren wir, ohne zu bewerten oder zu belehren. Unserer Erfahrung nach geht es bei einer Trauerfeier vor allem darum, dass sie sich echt und stimmig anfühlt. Sie soll dem Menschen gerecht werden, den wir verabschieden, aber auch den Angehörigen. Deshalb fragen wir nicht nur: „Was war ihm oder ihr wichtig?“, sondern auch: „Was brauchen Sie jetzt in Ihrer Trauer?“
Das Kerzenritual ist dabei oft ein Türöffner: Es löst Gefühle aus, schafft Verbundenheit unter den Gästen und bringt oft auch Gespräche in Gang, die lange unterdrückt wurden. Nicht selten sitzen wir nach einer Feier noch mit Angehörigen zusammen, reden, schweigen gemeinsam oder erinnern uns.
Das Kerzenritual ist nur ein Beispiel für viele Möglichkeiten, wie ein Abschied gestaltet werden kann. Manche Menschen wünschen sich Musik, andere Poesie, manche ein stilles Beisammensein – und wieder andere einen Ort, an dem Kinder unbeschwert spielen dürfen. Egal, in welcher Form es sich am Ende ausdrückt: Unser Herzensanliegen ist es, einen Raum zu schaffen, an dem Trauer da sein darf, ohne überwältigend zu sein. Einen Ort, an dem Lichter brennen – als Zeichen für das Leben, das war, und für die Liebe, die bleibt.
